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Percy's "Nein Danke!"

Allen Beobachtungen und geschilderten Geschichten haben etwas gemeinsam: Die kreatürlichen Entwicklungen oder auch intendierten Handlungen brauchten einen Beschluss der durch nichts zu rechtfertigen ist. Der Satz erscheint harmlos, ist aber die grösste Herausforderung welcher sich jedes Lebewesen stellen muss indem es eben genau das anspricht, was wir am wenigsten wissen wollen: Wir haben keine Wahl und wissen schon gar nicht was wir tun wollen, können aber jederzeit höchstens und exakt nur das machen, was unserem unergründlichen Wesen entspricht, durch nichts zu erklären ist und einfach beschlossen wird.

 

Besser verständlich wird dies, wenn wir uns am Wasser orientieren. Auf dem besagten Grundstück hat es mehrere kleine Quellen die dafür sorgen, dass der im Berg gespeicherte Regen in kontinuierlichen, mehr oder minder fleissig fliessenden Rinnsalen an bestimmten Orten austritt und hernach als Bächlein über den Boden fliesst. Wenn wir dieses Wasser mit Lebenskraft gleichsetzen, was übrigens im Buddhismus gerne getan wird, tritt das Problem beängstigend klar zu Tage. Beängstigend, weil es eben genau um Angst geht. Das Wasser begibt sich nach Austritt aus der Quelle (und natürlich auch schon zuvor) auf den Weg ohne ein genaues Ziel zu haben. Gerade so wie der Mensch nach der Geburt in die scheinbar offene Welt austritt und seinen Lebensgang beginnt.

 

In beiden Fällen handelt es sich natürlich um ein ziemlich offensichtliches Missverständnis. Weder das Bächlein noch das Kind wird durch den Austritt aus dem Berg respektive dem Mutterbauch geboren. Das Wasser wie das Kind befindet sich schon vor dieser „Geburt" in einem Prozess der mit einer Metamorphose endet, ähnlich wie jener der Kaulquappe die sich zum Frosch wandelt/entwickelt. Die Existenz basiert entsprechend sehr einsichtig auf der Tatsache, dass zwischen Lebewesen und den Charakteristika eine zwingende Interaktion zum weiteren Verlauf des ewigen Wandlungsprozesses beiträgt. Das austretende Wasser ist nun insofern spannend zu beobachten wie es sich seinen „Weg", einmal aus dem Berg ausgetreten, sucht. So sieht es jedenfalls auf den ersten Blick aus.

 

Und so wie Tigris und Euphrat, der Nil oder welcher Fluss auch immer munter vor sich hin mäandert, also mal gerade, dann eine Kurve fliesst und schliesslich derart auf Abwege kommt, dass schliesslich wieder eine neue direktere Verbindung entsteht und die Flussschlaufe ohne Wasser bleibt. Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist der Umweg, dann aber auch wieder nicht. Schon der Flusslauf zeigt, dass einfach alles Dilemma behaftet ist, aber dass es auch für alles immer eine Lösung gibt, wenn man sie denn sucht und zulässt.

 

Um die untere Wiese auf dem Grundstück von allzu viel Feuchtigkeit zu befreien zeigten wir dem Wasser den Weg indem wir begannen dem Rinnsal, durch eine kleine Furche, den Weg zu weisen was erstaunliche Konsequenzen zeigte. Im oberen Teil dieses rund sechzig Meter langen Bächleins frass sich das fliessende Wasser über die Jahre weg eine immer tiefere Furche in den erdigen Boden und fliesst nun sicher dreissig bis vierzig Zentimeter tiefer im Boden in zügigem Tempo. Aber wenn im Herbst die Blätter fallen dann sammeln sich diese recht zahlreich im „Flusslauf" und bilden kleine „Staumauern" welche die Strömung deutlich hemmen. Das wiederum führt zur Verlangsamung des Flusses und damit zu einem Absinken der im Wasser mitfliessenden Partikel, also Sand und kleine Steinchen, die nach Regenfällen und deutlich stärkerer Strömung mitgerissen werden. Weil ich im oberen Teil zum Frühjahr jeweils diese seichten Stellen wieder ausmerze, frisst sich das Wasser weiterhin tiefer in den Boden.

 

Weiter unten liegt weniger Erde und die Verstopfungen durch Sedimente fallen viel deutlicher an, so dass die Reinigung immer wieder eine Begradigung bringt welche aber nicht von Dauer ist.

Das Wasser hält sich nicht an die Vorgaben, und genau so wenig auch die Umgebung nicht.

 

Das ist nun aber der interessante Teil der Geschichte. Dem Wasser ist es einerlei, ob ein tiefer Graben entsteht, oder eine dynamische Oberflächenveränderung, auf welcher es sich vortrefflich mäandern lässt. Wichtig ist einzig und allein der Fluss, so er denn möglich ist. Fällt im Herbst das Laub staut sich Wasser, hinter sich anhäufenden Laubansammlungen, im tiefen Graben. Das könnte das Wasser stören. Ob es das tut wissen wir nicht, aber sicher ist, dass es nicht resigniert, sondern Druck aufbaut indem es sich hinter dem Laubhaufen ganz einfach staut. Reicht der Druck irgendwann so wird das Laub weggeschoben, reicht er nicht dann lagert sich hinter dem Laub Sand ab und früher oder später füllt sich die Rinne und das Wasser kann einen anderen Weg fliessen der weder kürzer noch lustiger aber eben jener Weg ist, der jetzt gerade passt.

 

Die Parallele zum menschlichen Handeln ist offensichtlich. Und Percy macht es genau gleich, einzig, dass er noch miauen kann wenn ihm etwas nicht passt, aber er miaut nur solange wie er die Vorstellung aufrecht erhalten kann, dass das Jammern etwas verändert, also nicht sehr lange. Das Fliessen der Lebensenergie hinnehmen ohne das Opfer der eigenen Vorstellungen zu werden, sondern einfach seiner Natur gemäss handeln, also klar eindeutig und ohne Gewinngarantie. Das ist der Schlüssel zur Daseinsfreude.

 

Warum tun wir das nicht? Ja eben, weil wir Angst haben könnten, das Meer nie zu erreichen. Und woher kommt diese Idee? Angst ist im lateinischen Wort Angusta enthalten was so viel wie Enge bedeutet. Enge, Ohnmacht ist unerträglich. Wir möchten Verfügungsgewalt haben und die haben wir auch. Genau wie das Wasser kraft der Gravitation dem tiefsten Punkt zuströmt, so können wir Kraft unserer Muskeln und geistigen Kräfte die Welt in uns und um uns herum verändern. Aber wir können es nur in dem Ausmass so wie die äusseren Umstände es zulassen. Diese Aktivitäten sind im Hier und Jetzt so wie Percy das ganz selbstverständlich lebt. Das Hier und Jetzt ist zwar auch nichts weiter als Wandel, aber dieser Wandel ist für alle, auch für uns selbst, gegeben, so wie der Sand und Laub im Bächlein als Hindernis für das zum Meer strebende Wasser.

 

Das zu akzeptieren bedeutet nichts Geringeres als dass wir nie eine Wahl, sondern immer nur das in uns angelegte Streben als Gestaltungskraft zur Verfügung haben, wenn wir mutig unsere Ängste und Vorstellungen überwinden, uns also diesen in jeder Lebenssituation restlos selbst ausliefern dann leben wir, und sind ganz nebenbei – als Abfallprodukt – sozusagen glücklich.

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