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Das Experiment

Die Rückgewinnung des Urvertrauens gelingt entsprechend nur in der Form des Experiments, nur schrittweise und niemals vollständig. Warum also sollte man sich überhaupt auf diesen Weg begeben. Die Antwort darauf ist einfach, aber gleichzeitig auch unvollständig: das innere Kind lässt nichts anderes zu.

 

Genau wie die Eiche, die Birke, der Feuersalamander, der Frosch, Percy und überhaupt alles was lebt, findet die Lebensfreude des inneren Kindes auch nur im Hier und Jetzt statt. Also im mutigen Vorantreiben der inspirierten Handlung.

Was sich in der Praxis dem Lebensmut entgegenstellt, ist die Vorstellung, die Vorwegnahme der möglichen Konsequenzen.

Was, wenn der Wurzeltrieb gar nie auf fruchtbaren Boden vordringt? Was wenn auch mit Zwergwuchs keine Existenz möglich ist, was, wenn das Rohr immer schmaler wird, was wenn der Sprung vom Stein tödlich endet usw.. Der «worst case» als Vorstellung bietet die Ausreden für die selbst-induzierte Kastration respektive für die Verweigerung des Sprungs ins Hier und Jetzt.

 

Und damit ist der Schwachpunkt der Vorstellung noch aus einem ganz anderen Blickwinkel ersichtlich. Überlegungen zum «worst case» erscheinen ja durchaus vernünftig. Warum sollte ein Mensch dem Druck nachgeben, aus dem fünften Stock zu springen, nur weil es ihn beim Blick nach unten gegen den Boden zieht? Nein, er bleibt lieber oben, denn der «worst case» bedeutet in diesem Fall den sicheren Tod, also etwas, was das innere Kind auf gar keinen Fall will. Es will einfach nicht länger auf dieser Höhe verweilen und in die Tiefe starren. Dazu genügt es aber, entweder den Blick auf den Horizont zu richte oder sich umzudrehen und die Treppe hinunter zu steigen.

 

In die Handlung kommen könnte man es auch nennen. Das ist aber wiederum missverständlich in dem Sinne, als man darunter eine vernünftige Analyse, eine Risikoabwägung, einen Plan verstehen kann und mit alledem hat in die Handlung kommen nichts zu tun. Die Handlung, so sie denn Freude bereiten soll, muss immer experimentellen Charakter haben. Das heisst, jede Handlung muss auch zu einem Resultat führen können, welches nicht erwünscht ist. Und noch wichtiger: Jede Handlung, die Freude bereiten können soll, muss sinnlos sein. Man spürt die Absicht und wird verstimmt, so formulierte es Goethe. Freude hat keinen Sinn, ist nicht von einer Absicht getragen, wie die weiter hinten dargelegten und so erlebten Geschichten zeigen.

 

Der Sinn der Freude liegt in der Freude selbst. Lebensfreude kann nur Freude am selbst-gemässen Leben und Erleben sein. Percy handelt beim Ertönen der Haustüre nicht aufgrund der Überlegung, dass es nun sinnvoll sei, nach Draussen zu gehen. Er kann ja gar nicht wissen, was ihn draussen erwartet. Ja er kann nicht einmal wissen, ob die Haustüre tatsächlich für ihn offenbleibt. Es besteht lediglich die Möglichkeit. Es ist ein Experiment, welches aufgrund realitätsbezogener Wahrnehmungen inspiriert angepackt wird. Die Inspiration, draussen könnte eine gute Geschichte laufen, ist das sinnlose Motiv. Eine Modellvorstellung, die keinen Bezug zu geplanten Aktivitäten hat, sondern lediglich als Inspiration einen Anstoss für den Start des Experiments gibt, erwartungslos notabene.

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