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In diesem Wald!

Es dürfte durchschimmern, dass die Erfüllung eines Wunsches weder auf sicher noch gradlinig zustande kommt. Es scheint

geradezu, dass die Voraussetzung für Erfüllung eines Herzenswunsches eben diese ist, dass Inspiration einer Handlung bedarf welche Freude macht, sinnlos ist und auch noch das Risiko beinhaltet, in die Hosen zu gehen. So wie die Geschichte mit dem Saurer zeigt hätte diese mit einem Totalverlust der Vorstellung enden können, auch diese Geschichte zeigte Höhen und Tiefen welche es auszuhalten galt da ansonsten diese Quelle der Freude nie hätte erschlossen werden können, inklusive auch der grösste Teil in dieser Schrift dargestellten Erfahrungen sowie Beobachtungen wären nie zustande gekommen. Es zeigt sich noch etwas anderes: wir sind, wenn wir Daseinsfreude zulassen und erleben, schon lange bevor wir es realisieren, Percys Büsismus zugetan. Durch die Bewusstwerdung wächst lediglich die Resilienz, also das Ertragen der Widerstände durch Willenskraft und die Steigerung des Durchhaltevermögens. Die Geschichte vom Rebberg fällt in eine Zeit, da von Bewusstsein bezüglich Percys Büsismus keine Rede sein konnte, aber angelegt war er in meinem Wesen wie in jedem andern auch schon ganz offensichtlich.

 

Nachdem ich über eine Zeit von zwanzig Jahren ein Rebfach am Zürichsee in Pacht mit viel Freude betreut hatte, verlor ich dieses nach einem Erbgang der Landbesitzer unvermittelt. Der Verlust schmerzte, passte aber in mein Leben da meine Ausbildung zum Psychotherapeuten viel Energie beanspruchte und für die Pflege von achthundert Rebstöcken nicht auch noch Zeit gewesen wäre.

 

Durch die Ausbildung blieb mir allerdings nicht verborgen, dass viele therapeutische Vorgehensweisen sehr viel mit der Pflege von Rebstöcken gemeinsam haben.

 

Die Rebe ist, und wahrscheinlich fühlt sich mein Wesen gerade deshalb dieser Pflanze sehr zugetan, im wesentlich total unvernünftig und platz ergreifend an, wenn es denn die Ressourcen zulassen. Die Rebe hat nur ein Ziel: sich ausbreiten und mit den Blättern möglichst viel Sonnenlicht einfangen, Zucker bilden und weiterwachsen. Nicht, wie man meinen könnte, um süsse Trauben zu bilden welche dann vom Dachs, den Vögeln, Wespen und allerlei Pilzbefall genüsslich verzehrt werden ehe sie der Mensch ernten könnte. Das jedenfalls ist die Erfahrung welche jeder machen kann, wenn er sich mit Reben auseinandersetzt.

 

Die Rebe produziert Trauben, aber nur im therapeutischen Setting mit dem Rebbauer zusammen. Von sich aus würde sie sich keineswegs darauf konzentrieren. Wenngleich es mir heute fern steht, die Therapie als ähnlichen Vorgang wie die Kastration der Reben zwecks optimaler Traubenbildung zu verstehen, sind doch Parallelen unverkennbar. Das wesentliche ist die Liebe zur Pflanze, die Liebe zum Menschen, die Liebe, also die Freude am Sinnlosen, welches ein interessantes Risiko beinhaltet. Das gilt für jedes Wesen, gilt aber auch für dieses Grundstück welches ich vor Jahren im Tessin, neben dem Anwesen von Freunden, damals entdeckte.

 

Auf diesem Grundstück stand ein kleines Häuschen, wenig Wiese rund herum und viel Wald. Am Wald war über eine weite Strecke gut anzusehen, dass es zu früheren Zeiten Wiesenland gewesen sein musste welches über dreissig oder vierzig Jahre zunehmend verschwand. Die Bäume darauf, Eschen, Kastanien, Birken, Robinien usw. standen viel zu eng beieinander und waren mit dünnen Stämmen hoch aufgeschossen. Am Häuschen hing ein Schild mit der Aufschrift „da vendere" mit einer Telefonnummer, beides vom Wetter gezeichnet. Die Tafel musste schon Jahre dort gehangen haben. Mein Blick für Reben sagte mir unmissverständlich, dass sich auf dieser versandeten Wiese ein schöner Rebberg anlegen liesse. Das Grundstück zu kaufen hätte mir gefallen, das kam aber nicht in Frage. Meine Freunde hatten insbesondere das kleine Häuschen als potentielles Gästehaus im Auge. Sie baten mich lediglich bei der Anfrage des Landbesitzers dabei zu sein da mein Italienisch besser als das ihre sei.

 

So wohnte ich denn bei dieser Verhandlung bei, aber es war rasch klar, dass sich die beiden Parteien nicht handelseinig würden. Meine Freunde hatten das Häuschen im Auge, der Landbesitzer trennte sich aber nur ungern von den umliegenden zwei Hektaren Land welche integral dazugehörten und seiner Meinung nach den von ihm geforderten Preis rechtfertigten. Meine Freunde wollten dieser Forderung aber nicht entsprechen, wenngleich das Delta nicht sehr gross war.

 

Ein Jahr zog ins Land und meine Freunde baten mich im Frühjahr abermals, bei den Kaufverhandlungen mit von der Partie zu sein. Ich willigte ein, wir trafen uns, aber das Käuferpaar kam dem Verkäufer nicht entgegen und er blieb ebenfalls hart.

Zum Mann des Freundespaares sagte ich, dass ich das Grundstück kaufen würde, wenn sie den Preis doch nicht bezahlen wollten und dem Verkäufer sagte ich das es mir leidtäte, wir aber sicher eine Lösung finden würden. Der Mann des Freundespaares sagte es wäre super, wenn ich es kaufen würde. Ich hätte es auch super gefunden, aber mir alleine fehlte das Geld dazu.

 

Jedenfalls solange ein wirtschaftliches Projekt, welches Freunde mit mir zusammen verfolgten, nicht unter Dach und Fach war. Es sah so aus als könnte der Coup gelingen und für mich fast die Summe herausspringen welche notwendig wäre, um das Grundstück zu erwerben. Gegen Ende Juni bekam ich kalte Füsse und glaubte, mit dem Landbesitzer Kontakt aufnehmen zu müssen. Ob das für mich rettende Geschäft zustande kommt oder nicht war erst im August abzusehen, aber solange wollte ich nicht warten, sondern schon mal den Fuss zwischen Türe und Angel stellen.

 

Wir vereinbarten einen erneuten Termin auf dem Grundstück. Er kam zusammen mit seiner Frau und ich pünktlich zum vereinbarten Termin. Er schlug vor, dass wir die Grenze des Grundstückes zusammen abschreiten. Ich war damit einverstanden, hatte aber natürlich keine Ahnung, was das bedeutete. Zwar wusste ich, dass er der Vorsteher des örtlichen Grundbuchamtes war und in allem was er tat folglich einfach sehr korrekt und genau handelte. Wir legten zu dritt los und bald merkte ich, dass er sämtliche Grenzmarkierungen mit mir zusammen orten und abschreiten wollte. Das Gelände ist nicht einfach eine Fläche, sondern zerklüftet mit Wald, Fels, Wiese und Grenzmauern sowie gut fünfzig Höhenmeter Differenz zwischen dem untersten und obersten Punkt. Einige Punkte waren in den Granit eingefräst, säuberlich ein Punkt und vier Dreiecke im Winkel darum herum.

An anderen Orten war ein Messingknopf in den Stein eingelassen und an anderer Stelle ein Punkt mit einem Kreis rundherum und rot eingefärbt auf dem Granit. Letztere Punkte sind Vermessungspunkte welche zur Kontrolle allfälliger Geländebewegungen dienen.

 

Wir suchten jede einzelne Markierung von welchen er wusste wo sie sich befinden mussten, aber je nachdem von Moss überwachsen oder doch nicht genau auf dem Stein welchen er als Ort in Erinnerung hatte. Schlussendlich fanden wir jeden einzelnen, wir stiegen hinauf, stiegen hinunter, liefen durchs Unterholz über Stock und Stein immer stetig suchend sowie hoch erfreut, wenn wieder ein Eckpunkt gefunden und zum Vorschein kam.

Die Rundreise dauerte gut eineinhalb Stunden ehe wir wieder vom Fluss unten hinauf zur Hütte kamen und er mich sichtlich zufrieden und freudig erregt ansah. Ich verstand sofort, dass nun die Lagebeurteilung kam. Natürlich sah ich in meiner Fantasie schon die Reben auf der bewaldeten Wiese und fand den Kaufpreis eher zu tief, für mich aber unerschwinglich.

 

Er fragte direkt, was ich von dem nun genau inspizierten Grundstück halten würde? Seine Frau stand interessiert neben ihm. Die Beantwortung seiner Frage fiel mir leicht. Das Grundstück ist umwerfend schön sagte ich, mehr konnte ich dazu nicht erwähnen.

 

Er lächelte und fragte, was ich denn vom Preis halte den er wolle und welchen ich kennen würde? Er erwähnte die Zahl nicht. Ich nickte und sagte, dass es mehr als gerechtfertigt sei. Mir wäre es um keinen Preis möglich gewesen etwas anderes als Antwort zu geben.

 

Er aber streckte mir seine Hand entgegen und sagte:"Allora faggiamo cosi", was so viel heisst wie „wir sind uns handelseinig".

 

Das kam alles so überraschend, dass ich nur für einen Bruchteil einer Sekunde überlegen konnte, was nun als nächstes zu tun sei.

Entweder du gibst jetzt die Hand auf diesen Kauf, oder du hast das Grundstück für immer ausser Reichweite von dir. Das nötige Geld um dieses Grundstück zu kaufen war ausser Reichweite, aber die Hand, welche es zu drücken galt um den Zuschlag zu bekommen, war in Reichweite und diesen Händedruck werde ich zeitlebens nicht mehr vergessen. Die beiden hatten sichtlich Freude, dass nun ein würdiger Nachfolger für dieses Stück Naturparadies gefunden war und wir verabschiedeten uns zufrieden nachdem wir die Eigentumsübertragung auf August 19?? terminiert hatten.

Ich dachte, möglicherweise würde die Zeit für den Abschluss des anderen Deals reichen. Andernfalls würde ich halt zu Kreuzen kriechen müssen was mir natürlich sehr leidgetan hätte.

 

Kaum eine Woche war vergangen, da erhielt ich vom Verkäufer eine E-Mail wonach sich nun doch noch ein anderer Interessent gemeldet hätte. Zunächst dachte ich – und dafür schäme ich mich bis heute – er wolle nun doch noch den Preis nach oben drücken.

Aber ich lag total falsch mit meinem „Verdacht". Weiter unten schrieb er, er hätte diesem Interessenten schon mitgeteilt, dass das Grundstück bereits verkauft sei und er mit dem neuen Besitzer Kontakt aufnehmen müsse. Dieser Interessent nahm in der Tat Kontakt mit mir auf und meinte, wir müssten das Grundstück teilen da er im unteren Teil einen Klettergarten installieren wolle. Ich sagte ihm, dass hierfür überhaupt kein Interesse meinerseits bestünde und er also das Grundstück vergessen solle. Vom Verkäufer erfuhr ich später, dass dieser sogar einen deutlich höheren Preis geboten habe, er aber mit mir ja schon handelseinig geworden sei und das auch in keiner Art und Weise deswegen bereue.

 

Ich meinerseits bereute, dass ich keine Ahnung hatte wie ich das gekaufte Grundstück überhaupt bezahlen können sollte nachdem der erhoffte Deal geplatzt war und ich nicht mit den notwendigen finanziellen Mitteln ausgerüstet war.

 

Es blieb mit nichts anderes übrig als meinen Freunden, die mit im geplatzten Deal hingen, zu beichten, dass ich das erhoffte Geld bereits ausgegeben habe, nun aber natürlich zurücktreten müsse. Sie fragten mich von wie viel Geld wir denn da sprechen würden. Ich nannte die Summe und die beiden waren fast enttäuscht. Soviel hätte er schon noch in der Portokasse meinte der eine und könne mir das problemlos und fristgerecht überweisen. Ich wusste nicht, dass seine Portokasse deutlich mehr als ein gutes Jahreseinkommen enthielt. Aber ich war unendlich dankbar dafür. Ebenso, dass ich drei Jahre später in der Lage war, die Schuld wieder auszubügeln. Das Unmögliche geschieht, aber es geschieht im Hier und Jetzt und nicht nach Plan des Scheinmenschen. Hätte mein inneres Kind nicht total unüberlegt und unvernünftig in den Handschlag eingewilligt so wäre es nie zu dieser Summe an Glück, und auch nicht zu den meisten in diesem Buch geschilderten Beobachtungen, gekommen.

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